Hurra – die Deutschen kommen! Ein Beitrag von Susanne Hyldelund, Dänemarks Botschafterin in Deutschland

Die Zusammenarbeit Dänemarks mit Deutschland ist so wichtig und gut wie nie zuvor. Es ist der klare Lichtblick des Sommers in Zeiten vieler Herausforderungen, der die Europäer dazu bringt, zusammenzuhalten und die Deutschen dazu bringt immer mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen – zum klaren Vorteil Dänemarks.

Von Susanne Hyldelund, Dänemarks Botschafterin in Deutschland in Sjællandske Nyheder

Hurra – die deutschen kommen!

24. Juli 2023 – Sjællandske Nyheder

Leopard-Kampffahrzeuge und Führungsrolle

Die Zusammenarbeit Dänemarks mit Deutschland ist so wichtig und gut wie nie zuvor. Es ist der klare Lichtblick des Sommers in Zeiten vieler Herausforderungen, der die Europäer dazu bringt, zusammenzuhalten und die Deutschen dazu bringt immer mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen – zum klaren Vorteil Dänemarks.

Von Susanne Hyldelund, Dänemarks Botschafterin in Deutschland


Es lässt sich kaum leugnen: 2022 war ein Wendejahr für Europa, nachdem der russische Angriff auf die Ukraine vergessene Fronten, imperialistische Supermachtphantasien und neue globale Interessenkonflikte sichtbar gemacht hatte.

Aber inmitten der düsteren Tendenzen der Zeit dürfen wir die Lichtblicke nicht vergessen. Als dänische Botschafterin in Deutschland kann ich sie in meinem Alltag nicht übersehen: Deutschland, Dänemark und ganz Europa halten fest zusammen. Und ich kann auch sehen, dass es nach und nach keinen Sinn mehr macht, Angst vor einem starken Deutschland zu haben.

Am Ende des Kalten Krieges war das anders. Die Frage nach einem geeinten Deutschland, das für Europa zu groß schien, beschäftigte noch immer viele Europäer. Aber wenn wir heute auf Deutschland schauen, sehen die Europäer eine stabile und verantwortungsvolle Demokratie. Und mit dänischen Augen sehen wir eine dänisch-deutsche Beziehung, über die ich sowohl glücklich als auch absolut stolz bin. Einen Satz höre ich in Deutschland überraschend oft: Wir lieben Dänemark.

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Susanne Hyldelund, Prinz Joachim und der Südschleswigsche Wählerbund-Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler auf dem Dach des Bundestags in Berlin. Foto: MARTIN ZIEMER

Die Deutschen sind gute Urlauber in der dänischen Natur. Sie lieben dänische Filme und Literatur. Sie würdigen die nachhaltige dänische Stadtplanung und Kopenhagen als Hauptstadt der Architektur im Jahr 2023. Und sie sehen uns als Vorbild für den grünen Wandel, wie der dänischsprachige Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck immer wieder betont.

Nachdem der Brexit die Interessenverhältnisse in Europa durchrüttelte, haben wir unsere gemeinsame deutsch-dänische Verankerung in der EU vertieft. Und nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sind Dänemark und Deutschland auch in der Verteidigung enger zusammengerückt. Im Frühjahr besuchte ich zusammen mit den Verteidigungsministern Deutschlands und Dänemarks, Boris Pistorius und Troels Lund Poulsen, den Truppenübungsplatz Klietz, wo dänische und deutsche Soldaten gemeinsam ukrainische Soldaten für den Betrieb der Leopard-1-Panzer ausbilden, die ebenfalls an der Flensburger Förde, einen Kilometer von der dänischen Grenze entfernt, renoviert werden. In Klietz bekam ich die Bestätigung, wie gut die dänisch-deutsche Zusammenarbeit funktioniert. Und mir wurde noch einmal bestätigt, dass Deutschland im Verteidigungsbereich noch mehr internationale Verantwortung übernehmen wird – mit einer Verlagerung hin zu weniger internationalem Krisenmanagement und mehr regionaler Verteidigung, wie wir es auch aus Dänemark kennen.

Die Vorstellung, dass ihr Land eine führende Rolle in der Sicherheitsarchitektur Europas einnehmen könnte, bereitet vielen Deutschen immer noch Sorgen. Und um eine Debatte über die deutsche Vergangenheit und Identität wird man hierbei kaum herumkommen.

Nach besorgtem Zögern beim Kriegsausbruch im Februar 2022 ist Deutschland nun nach den USA das Land, das der Ukraine am meisten zivile Hilfe und militärische Ausrüstung gespendet hat: von Leopard-Panzern über Munition bis hin zu Luftverteidigungssystemen wie Patriot und IRIS-T SLM.

Allein die finanzielle Bedeutung Deutschlands als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt verleiht dem Land eine Schlüsselrolle in Europa. Das wurde deutlich, als Olaf Scholz wenige Tage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hier in Berlin im Bundestag seine große Rede über eine deutsche „Zeitenwende“ hielt. Hier versprach der Kanzler einen Sonderfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Verteidigung – und dass Deutschland nun auf die von den Nato-Staaten zugesagte Verpflichtung von mindestens zwei Prozent des BIP für die Verteidigung zusteuert. In einer Zeit, in der Europa gleichzeitig im Verteidigungsbereich unabhängiger wird, wird es jedoch viele Jahre dauern, neue Verteidigungssysteme zu entwickeln, zu beschaffen und auszubilden.

Dennoch hat sich Deutschland im vergangenen Jahr überraschend schnell bewegt. Trotz vieler warnender Stimmen aus der Branche hat das Land den Ausstieg aus dem größten Teil der russischen Energie gemeistert. Und die deutsche „Zeitenwende“ ist im Anmarsch: 17.000 deutsche Soldaten sind im Jahr 2023 für die NATO-Einsatzkräfte vorgesehen, und Deutschland rechnet damit, langfristig 4.000 Soldaten dauerhaft in Litauen zu stationieren, um die Ostflanke der NATO zu unterstützen.

Deutschland, das sich seit dem Zweiten Weltkrieg an Zehntausende amerikanische Soldaten auf deutschem Boden gewöhnt hat, wird damit deutlich aktiver bei der Verteidigung Europas und insbesondere des Ostseeraums, der mit der NATO-Mitgliedschaft Finnlands und Schwedens ein ganz neues Gewicht erhält. Hier müssen Dänemark und Deutschland auch darüber nachdenken, wie wir unsere Verteidigungskooperation weiterentwickeln.

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Susanne Hyldelund, Dänemarks Botschafterin in Deutschland, unterhält sich während der Grundlovsdagsfeier der Botschaft im Juni mit dem dänischsprachigen deutschen Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck. Foto: Bernhard Ludewig

Nachdem Wind of Change vor etwas mehr als drei Jahrzehnten zum Soundtrack des Zusammenbruchs des Ostblocks wurde, nimmt Deutschland nun die eisigen Winde aus dem Osten und seine eigene Rolle sehr ernst. Daraus ist jüngst Deutschlands erste „Nationale Sicherheitsstrategie“ hervorgegangen. Es geht um Russland und die hybriden Bedrohungen, aber auch um die zunehmenden geopolitischen Spannungen. Verteidigung, Energie, Klima und Lieferketten – all diese Dinge hängen eng zusammen und wir sollten daher viel übergreifender als je zuvor über Sicherheit nachdenken.

Deutschland geht deshalb neue Wege. Aber auch für die dänische Verteidigungsindustrie ist die Modernisierung der deutschen Verteidigung von enormer Bedeutung. In der Botschaft in Berlin hatten wir daher in diesem Frühjahr die Ehre, Seine Königliche Hoheit Prinz Joachim zu empfangen, der an der Spitze eines „Speed-Datings“ zwischen einer Vielzahl von Unternehmen der weitverzweigten deutschen und dänischen Verteidigungsindustrie stand.

Dänemark hat keineswegs rein industrielles Interesse an dieser Zusammenarbeit, sondern in der schwierigsten sicherheitspolitischen Situation seit dem Kalten Krieg, vor allem auch ein Sicherheitsinteresse.

Wir können daher froh sein, dass das stabile Deutschland auf dem Weg zu einer stärkeren Rolle auf der europäischen Bühne ist. Okay, vielleicht musst man nicht „Hurra“ rufen, weil die Deutschen kommen. Aber die Tatsache, dass dieser Satz auf die große Mehrheit der Dänen beruhigend wirkt, ist ein Lichtblick in einer Zeit voller Herausforderungen.

 

Der Originalartikel auf Dänisch bei Sjællandske Nyheder.